Die neue Oh! | Titelthema | Tourismus & Wirtschaft

20 Jahre „In Hostel Veritas“

Seit 20 Jahren besteht das Backpacker-Hotel „In Hostel Veritas“ – ein ganz besonderer Ort der (Gast-)Freundschaft und ein wahrer „Happy Place“ mitten in Oberhausens auf- regender Neuer Mitte.

29.09.2022

Am Anfang war viel Skepsis: Sie könnten besser Gefriertruhen an Eskimos verkaufen oder ein Sonnenstudio auf den Kanarischen Inseln eröffnen. Wenig Ermutigendes bekamen Christina Antwerpen und Verena Breuckmann zu hören, als sie kurz nach der Jahrtausendwende für ihre Idee eines Hostels für Rucksacktouristen in Oberhausen warben. Mit Anfang 20, frisch von der Schule und ohne Eigenkapital? Noch dazu ohne ausreichende gastronomische wie unternehmerische Erfahrung? Und das Ganze ausgerechnet in Oberhausen? – Die beiden Schulfreundinnen ließen sich nicht entmutigen und glaubten fest an ihren Traum von der eigenen Herberge für schmale Geldbeutel.

Verena hatte nach dem Abitur am Bertha-von-Suttner-Gymnasium zunächst eine Ausbildung als Restaurantkauffrau begonnen und Christina ein BWL-Studium. Beide waren überzeugt: Was in den Großstädten überall auf der Welt funktioniert, würde ganz bestimmt auch im Ruhrgebiet klappen – lange bevor dieses sich selbst den Titel „Metropole.Ruhr“ verpasste.

Mit Ideenreichtum, Beharrlichkeit, Fleiß bis zur Selbstausbeutung, mit Unterstützung von Freunden und Familie, nicht zuletzt auch mit ganz viel unternehmerischer Initiative verwirklichten die beiden im Spätsommer 2002 ihren lang gehegten Traum. Die Lokalzeitung berichtete wohlwollend bis hoffnungsvoll, eine Boulevardzeitung feierte sie als „jüngste Herbergsmütter Deutschlands“, erste Fernsehteams kamen und schließlich sogar die „Cosmopolitan“, um über Christina Antwerpen und Verena Breuckmann zu berichten.

 

Ein Hochglanzblättchen?

Das passte so gar nicht zu dem, was die beiden auf der Suche nach einem geeigneten Ort für ihre Geschäftsidee bei der ersten Besichtigung antrafen: einen alten Backsteinbau hinter der ehemaligen Schilda- Halle, dreckig und heruntergekommen. Das Torhaus der ehemaligen Zeche Oberhausen, keine zwei Kilometer entfernt von ihrer alten Schule, war zuletzt als Flüchtlingsunterkunft genutzt und insgesamt ziemlich vernachlässigt worden.

Da bedurfte es schon einer besonders großen Portion Fantasie, das Potenzial dieses Gebäudes zu erkennen: die fuß- läufige Lage zum Centro und zur Arena, der Innenhof als künftiger Treffpunkt und Biergarten, ja sogar die Aufteilung der heruntergekommenen Schlafräume und die verdreckten Gemeinschaftsduschen. „Wir wussten sofort, das passt perfekt“, erinnert sich Christina Antwerpen. Und weil die ehemalige Flüchtlingsunterkunft im weitesten Sinne schon ein Beherbergungsbetrieb war, brauchten die beiden angehenden Herbergsmütter noch nicht einmal eine behördliche Nutzungsänderung. „Nur für die Gastronomie.“

Vom Ort und von ihrem Konzept waren die beiden jungen Frauen überzeugt. Aber diese Überzeugung teilte zunächst keine der 15 Banken, denen sie das Konzept samt Kreditwunsch zukommen ließen. „Manche antworteten gar nicht, einige schickten die Unterlagen kommentarlos zu- rück. Nur zwei luden uns überhaupt zu einem persönlichen Gespräch ein“, erinnert sich Christina Antwerpen. Immerhin gab es eine mündliche Kreditzusage, die allerdings vier Tage später schriftlich zurückgezogen werden sollte.

Inzwischen hatten wir aber schon den Mietvertrag unterschrieben und mit dem Entrümpeln begonnen.“ Am schwärzesten Tag ihres jungen Jungunternehmerinnen-Daseins gab es dann doch noch einen Lichtblick: Gründungsberater Heinz Wisnitzer von der damaligen städtischen Wirtschaftsförderung ENO erkannte das Potenzial der ungewöhnlichen Geschäftsidee und der beiden jungen Frauen, die sich in letzter Verzweiflung an ihn gewandt hatten. Er ebnete unbürokratisch den Weg zur Stadtsparkasse Oberhausen. Die Kreditzusage kam Mitte Juli, für den 20. August hatte das Hostel schon die ersten Buchungen angenommen. Jetzt hieß es„ Butter bei die Fische“ und „Ärmel hochkrempeln“.

Bei der entspannten Geburtstagsfeier zum 20-jährigen Bestehen des „In Hostel Veritas“ ist die Hektik der bewegten Anfänge an der Essener Straße 259 natürlich kein Thema. Auch Optik und Ausstattung erinnern heute kaum noch an die frühen Jahre in Oberhausens erstem und einzigem „Backpackers“.

Geblieben sind jedoch die Herzlichkeit, die Gastfreundschaft und der Enthusiasmus der beiden ursprünglichen Herbergsmütter – auch wenn Christina Antwerpen die Geschäfte in- zwischen allein führt und Verena Breuckmann nach einer beruflichen Neuorientierung „nur noch“ eine kleine, stille Beteiligung am Hostel hält.

35 ebenso liebenswerte wie gastfreundliche Menschen – vom Gärtner über den Hausmeister und die Putzkräfte bis zum Thekenpersonal – bilden das heutige Hostel-Team; nicht wenige sind schon mehr als die Hälfte der Zeit dabei. Neben Mehrbettzimmern und Gemeinschaftsduschen gibt’s längst Doppelzimmer mit modernem, eigenem Bad und barrierefreien Duschen, sogar eine „Suite“, die besonders bei Hochzeiten gefragt ist.

Apropos: Von der Taufe bis zum Trauerkaffee gibt es kaum einen Anlass, für den Winter- und Biergarten nicht gebucht würden. Die beliebten Eigenveranstaltungen – ob Bingo- oder Quizabend, das sonntägliche Spätstücken oder die Silent Partys – tun ihr Übriges, das Hostel nicht nur zu einer ganz besonderen Herberge für Übernachtungsgäste zu machen, sondern auch zu einem beliebten Treffpunkt mit großem, eigenem Stammpublikum vor Ort.

Nur so und nur mit diesem Stammpublikum, konnten wir die schwierigen Zeiten von Corona und Lockdown bis heute überstehen“, sagt Christina Antwerpen dankbar. „Wir brauchen dieses Publikum, so wie jede Stadt seit biblischen Zeiten eine freie Herberge braucht.